Hans Staden Pfad

    mit 7 Stationen beginnt der Staden-Pfad in Wolfhagen und endet im Wolfhager Regionalmuseum, wo eine permanente Ausstellung über den Buchautor und Abenteuerer tiefe Einblicke in das Leben der Südamerikanischen Ureinwohner vor der Kolonisierung erlaubt.

    Zur Karte

     

     
    • Hans Staden wurde um 1525 in Homberg (Efze) geboren. Er war ein deutscher Söldner im Dienste portugiesischer Siedler. Von 1548 bis 1555 nahm er an zwei Expeditionen an die Küste Brasiliens teil und erlebte viele Abenteuer. Er war 9 Monate Gefangener des Stammes der indigenen Tupinambá. Zurück in Europa und in Hessen wurde er Bürger der Stadt Wolfhagen. Er verfasste einen Reisebericht, der 1557 in Marburg mit dem Titel "Warhaftige Historia" erschien.
      Die Skulptur wurde 2018 von der Künstlerin Karin Bohrmann-Roth aus Grebenstein geschaffen. So steht Hans Staden am Anfang eines Weges, der durch die Wolfhagener Innenstadt führt.

    • Station 2: Aufbruch nach Brasilien 

      Über Bremen kam Hans Staden im Jahre 1548 nach Lissabon. Von hier führte ihn seine erste Reise mit dem Schiff des Kapitäns Penteado nach Pernambuco (Recife) in den Norden Brasiliens. Als Büchsenschütze und Kanonier war er für die militärische Sicherheit des Schiffes verantwortlich. Drei Monate dauerte die beschwerliche Reise. Staden kann anschaulich berichten, was erlebte. Oft begleiten fliegende Fische das Schiff. Bei der Überquerung des Äquators erlebt er heftige Gewitter und steht Ängste aus. Er sieht das Elmsfeuer und ist überzeugt, dass es ein Wunderwerk Gottes ist.

    • Station 3: Ankunft in Sao Vicente

      Auf seiner zweiten Reise kam Hans Staden nach São Vicente an die brasilianische Küste. Der Ort gehörte dort zu den wichtigsten Siedlungen der Portugiesen. Doch in Sichtweite seines Zieles kenterte das schwer beschädigte Schiff in einem Sturm und sank. Staden und seine Mannschaft konnten sich auf Planken schwimmend ans Ufer retten. So kam Staden nach São Vicente und bot sein Können als Büchsenschütze an. Denn er hatte erfahren, dass São Vicente gegen immer wieder auftauchende Indigene vom Stamm der Tupinambá verteidigt werden musste.

    • Station 4: Die Gefangennahme

      Hans Staden ist 1553 Kommandant einer kleinen Festung am Nordrand der Insel Santo Amaro. Er soll Angriffe der Indianer aus dem Norden auf die Stadt São Vicente im Süden abwehren. Anfang 1554 wird er bei einem Ausflug von Indianern umringt und angeschossen. Ohne Erfolg ruft er Gott zu Hilfe. Der Häuptling mit der Keule beschließt, Staden als Gefangenen in ihre Siedlung Ubatuba mitzunehmen. Man ergreift ihn und zerrt ihn in ein Boot. Von der auf der Landseite gelegen Festung Bertioga kann niemand Staden helfen. Ubatuba liegt drei Tagreisen nach Norden bei Rio de Janeiro.

    • Station 5: Leben bei den Tupinambá

      Als Gefangener in Ubatuba wusste Hans Staden, dass er bald bei einem mehrtägigen Fest erschlagen und gegessen werden sollte. Im Zentrum des Dorfes hockten die Tupinambá, rauchten und planten den Zeitpunkt für dieses Fest. Der Häuptling trat mit Federschmuck und der Keule auf, mit der er getötet werden sollte. Staden bekam das alles mit. Er hatte Todesangst. Trotzdem versuchte er mit vielen Argumenten die Tupinambá davon zu überzeugen ihn zu verschonen. Nach einigen Monaten hatte er sogar Erfolg. Er konnte als Heiler auftreten und wurde wie ein fremder Schamane akzeptiert.

    • Station 6: Glaubensstandhaftigkeit

      Vor einem großen Holzkreuz betete Staden täglich zu seinem Gott, er möge ihn aus der Hand der Heiden erlösen. Die Frauen der Tupinambá hatten auf den umliegenden Feldern Maniok angebaut. Jetzt wollten sie ihn ernten. Eine Frau hatte aber Stadens Kreuz beseitigt. Sofort war tagelang heftiger Regen gefallen und die Ernte war gefährdet. Staden erklärte, die Sonne werde erst scheinen, wenn sein Kreuz wieder hergestellt würde. Das geschah dann auch. Der Regen hörte auf und die Sonne schien wieder. Die Frauen konnten in der Siedlung anfangen, den geernteten Maniok zu verarbeiten.

    • Station 7/1: Stadens Reisebericht entsteht

      Staden war 1555 aus Brasilien zurückgekehrt. Was er erlebt hatte, war in Deutschland ganz unbekannt. Das erkannte auch Professor Dryander von der Universität Marburg. Er regte an, dass Staden die Erlebnisse auf seinen beiden Reisen aufschreiben sollte. Staden wurde Bürger in Wolfhagen. Er stand in seinem Zimmer mit dem Blick auf die Stadtkirche und schrieb. Im Juni 1556 war er fertig. Die Handschrift brachte ein Bote zu Pferd nach Marburg zur Druckerei. Dort erschien das Werk mit dem Titel: Warhaftige Historia. Im Frühling 1557 wurde es nach Frankfurt zur Buchmesse gebracht und verkauft.

    • Station 7/2: Dedikation an den Landesherrn

      Bevor Staden mit dem Schreiben begann, wurde er von Philipp dem Großmütigen befragt. Auch weitere Gelehrte waren anwesend und überprüften seine Aussagen. Offensichtlich war man überzeugt, dass Staden die Wahrheit berichtete. So durfte er das Werk dem Landesherrn widmen. Ein fertiges Exemplar hat er wohl persönlich nach Kassel gebracht und überreicht. Philipp konnte beim ersten Durchblättern erkennen, dass es mit vielen Holzschnitten ausgestattet war. Sie erlaubten einen Blick in die fremde Welt der Tupinambá, bei denen Staden neun Monate war.

      Die „Warhaftige Historia“: Hans Staden zwischen Hessen und Brasilien

      (Aus: Hans Staden „Zwei Reisen nach Brasilien 1548-1555. In die Sprache der Gegenwart übertragen, mit einem Nachwort und mit Erläuterungen versehen von Karl Fouquet. 7. aktualisierte Auflage mit einer Einführung von Wolfgang Schiffner und Franz Obermeier, Wolfhagen 2017, Seite I-XXII)

      Hans Staden

      Der hessische Brasilienreisende Hans Staden ist eine der wenigen deutschen Persönlichkeiten aus dem 16. Jahrhundert, dessen internationale Berühmtheit seinen Nachruhm in Deutschland übertrifft. Stadens Nachleben liegt in einem einzigen Buch begründet, seinem Brasilienreisebericht, der seit der Erstausgabe in Marburg unter dem Titel Warhaftige Historia in über 100 Auflagen und Übersetzungen erschienen ist. In den vergangenen gut 450 Jahren erschien damit statistisch alle viereinhalb Jahre eine neue Ausgabe oder Übersetzung von Stadens Buch. Sein Reisebuch ist das erste ausschließlich Brasilien gewidmete Werk, das in Europa erschienen ist. Er berichtet darin über seine zwei Reisen nach Brasilien zwischen 1548 und 1555.

      Wer ist der Autor eines Buches, das zu den bekanntesten Reiseberichten des 16. Jahrhunderts gehört? Wenn man dieser Frage nachgeht, muss man sich in Nordhessen auf Spurensuche begeben.

      Wetter – Auszug aus der Topographia Hassiae Historische Stadtansicht von Matthäus Merian, 1655

      von Matthäus Merian 1655

      Aufgewachsen in Homberg

      Gernand Staden, der Vater von Hans Staden, stammte vermutlich aus Wetter, einer Kleinstadt nördlich von Marburg, die im 16. Jahrhundert durch ihre Lateinschule berühmt war. In der damals bekannten „Cosmographie“ (erschienen 1544, dann viele überarbeitete und erweiterte Ausgaben) des Sebastian Münster wurde sie als Stadt hervorgehoben, aus der viele Gelehrte kamen, die weit über Hessen hinaus Bedeutung erlangten. In Wetter erhielt auch der hier geborene Medizinprofessor Dryander von der Universität Marburg seine erste Ausbildung. Er bezeugt im Vorwort zur „Warhaftigen Historia“, dass Gernand Staden, den er seit seiner Schulzeit kannte, hier "in guten künsten studirt“ habe. Obwohl wir nicht wissen, welchen Beruf er ausübte, kann man davon auszugehen, dass Staden dem gebildeten Bürgertum entstammte.

      Auch wenn kein Dokument das Geburtsjahr belegt, ist es wahrscheinlich, dass Hans Staden um 1525 in Homberg an der Efze geboren wurde, wo sein Vater 1528 als Bürger genannt wird. Zwei Jahre zuvor hatte Philipp der Großmütige als Landesherr auf einer Synode in der Stadt die Reformation in Hessen eingeführt – sicher ein Höhepunkt für das Ansehen der Stadt. Die zentrale Lage machte Homberg als eine der größten und reichsten Städte in Hessen auch schon früher zum Tagungsort von Landtagen. Hans Staden, der sich später immer als „von Homberg in Hessen“ bezeichnet hat, ging wohl in die hier bestehende Schule. Der Unterricht wird das damals übliche Grundwissen vermittelt haben, wobei sicher die religiöse Unterweisung im Geiste des Luthertums erfolgte, das Staden prägte. Im 1517 erbauten Hochzeitshaus erinnert das Homberger Heimatmuseum an Staden, es gibt eine Hans-Staden-Allee und ein Relief in der Nähe des Rathauses zeigt den Brasilienfahrer. Ein Förderkreis Hans Staden (http://www.foerderkreis-hans-staden.de/Geschichtliches/) erinnert mit Veranstaltungen an den berühmten Sohn der Stadt.

      In Schmalkalden hatte Landgraf Philipp von Hessen 1531 mit anderen Fürsten einen Verteidigungsbund der protestantischen Länder geschlossen. Er sollte eine latent drohende gewaltsame Rekatholisierung dieser Länder verhindern. Doch 1546 eskalierte der Konflikt mit Kaiser Karl V. und es kam zum Schmalkaldischen Krieg, den Philipp und seine Anhänger 1547 verloren. Hessen wurde besetzt, der Landgraf abgesetzt und bis 1552 in Gefangenschaft gehalten. Weil sich Hans Staden im April 1548 nach Portugal begab und als Büchsenschütze auf einem Schiff anheuerte, kann man annehmen, dass er als junger Mann zum Büchsenschützen ausgebildet wurde und am Krieg teilnahm. Doch die Niederlage führte auch zur Entlassung der Soldaten und verursachte durch die hohen Reparationskosten in Hessen eine wirtschaftlich bedrückende Situation.

      Staden fand in Homberg möglicherweise keine Perspektive für sein Leben und kam auf die Idee, sein Glück im Ausland zu suchen. Die Aussicht auf Reichtum, den man allem Hörensagen nach in Indien erwerben konnte, mag ihn ebenso beflügelt haben wie der Reiz eines Abenteuers fern der Heimat. Vermutlich erfuhr er, dass seit Jahrzehnten deutsche Soldaten auf portugiesischen Schiffen die Verteidigung übernahmen. Als Büchsenschütze war er dort sicher willkommen und würde gut bezahlt wurden. Doch als er 1548 nach Lissabon kam, hatte die Flotte nach Indien gerade den Hafen verlassen und Staden war bereit, mit einem Schiff nach Brasilien zu segeln. Man kann vermuten, dass diese Entscheidung mit seiner inzwischen geleerten Reisekasse zu tun hatte.

       

      Brasilien wird portugiesische Kolonie

      Das Land Brasilien (offiziell damals Terra da Santa Cruz) war 1500 von den Portugiesen in Besitz genommen worden, hatte aber im Vergleich zu dem einträglichen Handel mit Ostindien anfangs weniger Bedeutung. Die Erschließung bezog sich in den ersten Jahren auf einzelne Handelsfaktoreien an der Küste, die das Land nicht gegen ebenfalls Handel treibende andere Nationen, vor allem die Franzosen, sichern konnten. König João III. entsandte 1530 Martim Afonso de Sousa mit einigen Hundert Kolonisten nach Brasilien. Auch die Vergabe von fünfzehn brasilianischen Küstenstreifen von jeweils 50 Meilen Länge durch den König an „Donatários“, Adelige, die für die Erschließung sorgen sollten (ab 1534), führte außer in São Vicente und Recife zu keinem Erfolg. Erst mit der Einsetzung des zeitlich befristeten Generalgouvernements („governo geral“) 1548 wurde eine brauchbare Verwaltungsform gefunden, die bis zum Ende der Kolonialzeit Bestand haben sollte. Zum ersten Generalgouverneur wurde Tomé de Sousa von 1549-1553 (Lebensdaten 1503-1579) ernannt, den Staden in seinem Buch auch erwähnt.

       

      Über Brasilien gelangten nach dem Brief von Pêro Vaz de Caminha über die Entdeckung vor allem mündliche Nachrichten nach Europa, sowie einige Jesuitenbriefe, nachdem der im ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts oft aufgelegte Vespucci-Bericht nur ein wenig spezifisches Bild des Landes bot und den Kannibalismus der Indigenen hervorhob. Mit Hans Staden sollte aber erstmals ein Augenzeuge umfangreich über das in Europa noch weitgehend unbekannte Land und die Sitten seiner Bewohner berichten. Was Stadens Bericht so spektakulär und erfolgreich machte, war die ausführliche Schilderung seiner Gefangenschaft bei den Tupinambá-Indianern, einem schon etwa 70 Jahre nach Stadens Brasilienaufenthalt durch Kriege mit den Portugiesen verschwundenen Stamm aus der in Südamerika weit verbreiteten Familie der Tupi-Guarani, nach allen Quellen der Zeit Menschenfresser, was auch Staden bezeugt.

      Wo überall hielt sich Staden in Brasilien auf?

      Hans Staden reiste zweimal nach Brasilien, 1548 und 1550 (Stadens Jahresangabe „1549“ ist laut einem glaubwürdigen Brief des Expeditionsleiters Juan de Salazar falsch). Der Ort Igaraçu, bei Recife, bei dessen Verteidigung Hans Staden anlässlich seiner ersten Reise half, ist vielen Besuchern der touristisch beliebten nordbrasilianischen Strände vor allem deshalb bekannt, weil dort die erste erhaltene Kirche Brasiliens stehen soll, den Heiligen Cosmas und Damian geweiht. An Staden erinnert nichts mehr.

      Nach diesem kürzeren Aufenthalt im nordbrasilianischen Recife und seiner Umgebung auf der ersten Reise kehrte Staden bald nach Europa zurück, doch wenig später kam er auf einem spanischen Schiff zum zweiten Mal nach Südamerika. Das eigentliche Ziel dieser spanischen Expedition war die bereits spanisch besiedelte La Plata-Gegend, sie konnte jedoch nicht erreicht werden, die Expedition saß wegen des Verlusts der Schiffe in Südbrasilien fest. Die Besatzungen der drei Schiffe der Expedition hatten sich in der Bucht verabredet, wo heute Florianópolis liegt, die Provinzhauptstadt des brasilianischen Bundestaates Santa Catarina. Auf der Weiterfahrt gelangten die Expeditionsteilnehmer, die die Überfahrt geschafft hatten (ein Schiff blieb verloren) nach Viaça, einen Ort, dessen genaue Lage wir nicht kennen. Das heutige kleine Städtchen La Laguna in Santa Catarina erhebt Anspruch darauf, mit ihm identisch zu sein, was nicht sicher ist. Nach dem Sinken des letzten Schiffs verbringt die Gruppe zwei Jahre dort.

      Da aus dem spanischen Asunción, wohin eine Gruppe per Land geschickt worden war, keine Hilfe kam, machten sich die Überlebenden an der Küste unter der Führung von Juan de Salazar schließlich auf einem selbst gebauten Boot auf, um in das von Portugiesen bewohnte São Vicente (auf der Höhe des heutigen São Paulo an der Küste) zu gelangen. Sie erlitten aber kurz zuvor bei der Stadt Itanhaém Schiffbruch; in dem Ort gibt es heute ein kleines Stadendenkmal.

      Staden suchte in São Vicente notgedrungen nach einem Broterwerb unter seinen neuen brasilianischen Herren. Er wurde Kommandant einer kleinen befestigten Niederlassung auf der Insel Santo Amaro in der Bucht von Santos gegenüber dem Ort Bertioga. Der Posten galt als gefährlich, Staden sollte verhindern, dass die Tupinamba-Indianer ihre lukrativen Überfälle auf das nahe gelegene, wohlhabende São Vicente fortführen konnten. Auch zum Fischen während der Laichzeit kamen die Indianer regelmäßig in die Gegend. Diese Indigenen haben Staden schließlich bei einem Waldspaziergang gefangen genommen und verschleppt.

      Staden lebte 1554 nach eigenen Angaben neuneinhalb Monate als Gefangener bei den menschenfressenden Tupinamba-Indianern. Was er über diese Zeit bei den Indianern berichtet, hat nicht nur die Zeitgenossen beschäftigt, sondern stellt bis heute ein einmaliges, manchmal kontrovers diskutiertes Zeugnis über das Leben eines indigenen Stammes in der frühen Kolonialzeit dar. Da Staden aber vor allem mit Tupinamba Kontakt hatte, beschränkte er sich im zweiten Teil seines Buchs auf eine Beschreibung ihrer Kultur mit einigen naturkundlichen Anhängen.

      Staden berichtet natürlich auch über andere brasilianische Indianerstämme, so auf einer beigefügten Karte, die selbst die Carios (mit Schreibfehler) erwähnt, gemeint sind die Guarani im La Plata-Raum. [Carios war damals synonym, wie wir aus Ulrich Schmidls (Schmidel) Bericht über die Region wissen.] Er kannte aber auch andere Stämme an der brasilianischen Küste, wie die von ihm namentlich nicht genannten Kaeté-Indianer aus der Gegend um Recife, oder die von ihm erwähnten, weiter nördlich von São Vicente lebenden Potiguara, ein Tupi-Stamm.

      Die Tupiniquin bei São Vicente, die mit den Portugiesen verbündet und Feinde der Tupinamba waren, bekriegten die Tupinamba, die an der Küste bei Rio Janeiro mit den Franzosen verbündet waren und Handel mit ihnen trieben. Deshalb konnten im Oktober 1554 französische Händler Staden freikauften und ihm die Heimkehr ermöglichen. Mitte der 1550er Jahre versuchten die Franzosen, sich durch die Gründung einer Kolonie in Rio de Janeiro dauerhaft in Brasilien zu etablieren, der Versuch scheiterte aber nach wenigen Jahren am energischen Vorgehen der Portugiesen.

      Staden kommt nach Hessen zurück

      Im französischen Honfleur betrat im Frühjahr 1555 Hans Staden wieder europäischen Boden - nach fast siebenjährigem Aufenthalt in Brasilien. Über London kam er nach Antwerpen, wo er von dem reichen Kaufmann Caspar Schetz empfangen wurde. Ihm konnte er berichten über Peter Rösel, den Verwalter seiner Zuckermühle in São Vicente. Staden erzählte ihm sicher auch, wie dessen Schiff vor Rio de Janeiro von den Franzosen angegriffen wurde, sich aber verteidigen konnte. Von Schetz bekam Staden genügend Geld, um seine Heimreise zu bezahlen.

      Korbach – Auszug aus der Topographia Hassiae Marburg um 1646,
      von Matthäus Merian 1655 Kupferstich von Matthäus Merian

      Inzwischen hatte 1552 Philipp der Großmütige wieder die Regierung in Hessen übernommen. Der lange schwelende Religionskonflikt im Deutschen Reich hatte zu Verhandlungen geführt, die mit dem Augsburger Religionsfrieden im September 1555 abgeschlossen wurden. Staden versuchte wohl zu seiner Familie in Homberg zu gelangen, fand sie aber erst in Korbach in der Grafschaft Waldeck. Dort war sein Vater Gernand 1551 Bürger geworden. Ein Joseph Staden aus Homberg, vermutlich ein Bruder unseres Autors, wurde es im nächsten Jahr. Ihre protestantische Einstellung könnte die Familie Staden dazu gebracht haben, Hessen zu verlassen und in die Grafschaft Waldeck zu ziehen. Denn nach 1547 gab es hier keine Versuche der Rekatholisierung wie im besiegten Hessen. Bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts sind über 30 Personen mit dem Namen Staden in Korbach urkundlich belegt. Einige konnten sich später als Kaufmann, als Ratsherr in Korbach und Schulrektor in Mengeringhausen etablieren.

      Korbach war als Mitglied der Hanse wirtschaftlich und kulturell recht bedeutend. Es gab eine gute Stadtschule und jedes Jahr konnten junge Männer zum Studium nach Marburg geschickt werden. So ist es wahrscheinlich, dass Staden deshalb schnell den Kontakt zu Johannes Dryander (1500 – 1560) von der Universität Marburg herstellen konnte, den er als langjährigen Freund seines Vaters schon früher gekannt haben könnte.

      Dryander (Eychmann), seit 1535 Professor für Medizin und Mathematik, war ein Naturwissenschaftler, dem die Veröffentlichung neuer Erkenntnisse wichtig war. Er war nach eigenem Bekunden an dem interessiert, was er über Brasilien hörte. Staden erzählte seine Erlebnisse und betonte, dass er überzeugt sei, dass Gott ihn aus Gnade und Barmherzigkeit vor einem fast sicheren Tod gerettet habe. Zum Lobe Gottes darüber zu berichten, war sein Wunsch. Der Professor aus Marburg konnte erreichen, dass Staden vor seinem Landesherrn und anderen über seine zwei Reisen nach Brasilien erzählen konnte. Philipp der Großmütige mag sich an die fünf Jahre seiner Gefangenschaft erinnert haben, als er hörte, was Staden über seine Gefangenschaft bei den Tupinambá als standhafter Christ vortrug. Auch Philipp blieb standhaft, als man ihn in dieser Zeit jahrelang zum Übertritt zum Katholizismus drängte. Nach diesen Vorträgen vor einem kritischen Publikum von gebildeten Männern fiel wohl bald die Entscheidung, seinen Bericht in Marburg zu drucken.

      Neben der Residenzstadt Kassel war Marburg mit seiner 1527 gegründeten Universität das kulturelle und geistige Zentrum Hessens. Hier gab es mit Andreas Kolbe einen Drucker, bei dem das Buch veröffentlicht werden konnte; hier gab es auch eine gebildete Leserschaft, die sich für Stadens Reisebericht interessieren würde. Hinzu kamen gute Verbindungen nach Frankfurt und dann die Option, das Werk auf der Buchmesse anzubieten.

      Im Sommer 1555 wird Staden vorbereitende Gespräche über seinen Reisebericht mit Dryander geführt haben. Mit vielen Publikationen hatte der Professor genügend Wissen, um den unerfahrenen Staden bei der Anlage des Buches zu beraten. Ihm ist es sicher zu verdanken, dass Staden zustimmte, seinem Erlebnisbericht mit klarer Kapiteleinteilung einen zweiten Teil anzufügen, der über die Gesellschaft der Tupinambá informiert. Die Ausstattung des Werkes mit 54 Holzschnitten geht wohl auch auf seine Anregung zurück. Im Herbst begann Staden mit der Niederschrift und veranlasste die Ausführung der Holzschnitte. Mitte des nächsten Jahres (1556) war er fertig geworden und schickte das Manuskript nach Marburg zu Dryander. Da traf es sich gut, dass Dryander gleichzeitig Zensor der Universität war, also Stadens Buch vor der Veröffentlichung ohnedies lesen musste. Er las es durch und korrigierte es wie heute ein Lektor. Im Dezember beendete er sein Vorwort zur Wahrhaftigen Historia, in dem er umfangreich begründet, warum Staden ein glaubwürdiger Autor sei, der mit seinem Werk zeigen wolle, wie Gott ihn als Christen gerettet habe. Dann kam das so vorbereitete Werk zum Druck bei Andreas Kolbe und erschien Anfang März 1557.

      Wolfhagen – Auszug aus der Topographia Hassiae
      von Matthäus Merian 1655

      Staden wird Bürger in Wolfhagen

      Hans Staden muss sich bald nach seiner Rückkehr aus Brasilien im hessischen Wolfhagen als Bürger niedergelassen haben, denn schon am 20. Juni 1556 unterzeichnete er das Vorwort zu seiner „Warhaftigen Historia“, die er Landgraf Philipp dem Großmütigen widmete, mit „itzt Burger zum Wolffhagen“. Auch in einem Schreiben, das er mit seinem Werk an den Grafen Wolrad II. als adeligen Gönner schickte, bezeichnete er sich als Bürger dieser Stadt. Warum wählte er eine Kleinstadt in Hessen, die sicher weniger attraktiv war als die Hansestadt Korbach? Glaubte er, weil er das Werk dem Landesherrn widmete, dass er in einer Stadt in Hessen Unterstützung erhalten würde? War es eine berufliche Aussicht, die ihn so handeln ließ? Darauf könnte eine Urkunde vom 04. 06. 1558 hindeuten.

      Dieses Dokument ist ein Schreiben des Marburger Juristen Johann Keudel an einen Richter im Amt Sachsenberg im südwestlichsten Zipfel von Waldeck. Darin bittet der Jurist, dass seinem Mandanten Hans Kampffer aus Marburg die noch ausstehenden Ausbildungskosten gezahlt werden. Denn dieser Pulvermacher habe einen „Hans Stadenn vonn Corbach“ im Salpetersieden ausgebildet. Der Richter, so bittet der Jurist, möge Staden zur Zahlung auffordern oder zur Pfändung schreiten. Die Quelle weist darauf hin, dass Staden 1555/56 einige Zeit in Marburg war. Er kam von Korbach und hatte neben seiner Ausbildung die Entstehung seines Werkes im Gespräch mit Dryander, dem Formschneider der Holzschnitte und dem Drucker überwacht.

      Die Urkunde von 1558 könnte darauf hinweisen, dass Staden sich mit seinem Wissen über das Salpetersieden zum Seifensieder und Pulvermacher ausbilden ließ. Dann könnte er der namentlich nicht genannte Bürger sein, dem 1555 vor den Toren der Stadt Wolfhagen ein Wiesengrundstück überlassen wurde, auf dem eine Pulver- oder Ölmühle entstehen sollte. Auch das scheint zu Hans Staden zu passen. Ob diese Mühle wirklich bestand, ist aber fraglich, weil es über sie keine weiteren Nachrichten gibt. Ebenso wenig über einen Pulvermüller Hans Staden.

      Im 16. Jahrhundert war Wolfhagen eine Kleinstadt an der nordöstlichen Grenze Hessens, eine Ackerbürgerstadt, deren Einwohner mit einem eher bescheidenen Wohlstand auskommen mussten. Aus der Zeit, als Staden sich hier niederließ, gibt es Berichte, die einen wirtschaftlichen Aufschwung vermuten lassen. Ob und wie Staden in Wolfhagen gelebt hat, ist leider nicht festzustellen, denn weitere Quellen nach 1558 wurden bis jetzt nicht gefunden, die über sein Leben Auskunft geben könnten. In einem Kirchenbuch aus Wolfhagen gibt es den Eintrag, dass unter den Pesttoten des Jahres 1576 ein Seifensieder und eine Seifensiederin waren. Recht unwahrscheinlich ist es aber, dass sich der Eintrag auf Staden und seine Frau bezieht, wie früher angenommen wurde. In dieser Quelle wurden fast alle Verstorbenen mit vollem Namen und oft auch mit Zusätzen wie Kind oder Magd verzeichnet. Warum wurde der Seifensieder nicht namentlich genannt? Es bleibt nur die Vermutung, dass Hans Staden als Bürger in dieser Stadt lebte und dort oft mit seinen Mitbürgern über seine Erlebnisse in Brasilien sprach.

      Nur wenige Mitbürger in dieser kleinen Stadt konnten lesen, interessierten sich für Brasilien und kauften sein Buch. Und wohl niemand ahnte, dass er in Wolfhagen das bedeutendste Buch über Brasilien seiner Zeit in Deutschland geschrieben hatte. Der Stadenforscher Karl Fouquet schrieb im Nachwort seiner Textausgabe von 1964: „Die Wahrhaftige Historia ist eine der unmittelbarsten und verlässlichsten Urkunden aus der Zeit der Landnahme der durch die Portugiesen und der sich verstärkenden Berührung der Europäer mit den steinzeitlichen Indianern insbesondere im Küstengebiet von Santos bis Rio de Janeiro; sie ist das Muster einer gedrängten, einer alles Wesentliche wiedergebenden Völkerschilderung und gehört als Reisebericht zu dem Ergreifendsten, das die deutsche Literatur bietet.“

      Wir danken unseren Partnern

      für tatkräftige finanzielle und organisatorische Unterstützung